anonymer Brief - mit Genehmigung der Verfasserin
Liebe Ananga,
ich hoffe, es ist ok, wenn ich dir in einer Mail und nicht öffentlich im Forum antworte. Ich lese zwischen deinen Zeilen so einige Gedanken, Zweifel, Windungen, die auch gerade zu meinem Leben gehören.
>mich würde sehr interessieren, ob es hier im JOY Paare gibt, die nach dem ersten Date eine Affäre miteinander gelebt haben und diese Affäre sich dann zur festen Partnerschaft weiter entwickelt hat. Ihr habt beide vorher mit einem anderen Partner zusammen gelebt, als Paar oder nur noch als Freunde.<
Ich habe mich das erste Mal vor mehr als einem Jahr im JC angemeldet, eigentlich mehr als Verzweiflungstat um in Kontakt mit anderen Langzeitpaaren zu treten, wie man so eine Beziehungskrise in einer Langzeitehe (22Jahe ein Paar, 10J verheiratet) meistern kann. Tatsächlich habe ich ganz nette Mädels kennengelernt, die mir aber fast unisono dazu rieten, an der Ehe festzuhalten. Dazu war es irgendwie leider zu spät, denn plötzlich war er da dieser Kick, die vielbeschworene Aufmerksamkeit, Komplimente... das ganze Programm also, wonach frau so lechzt.
Es folgten heiße Mails und Chats und da die Entfernung unserer Wohnorte überbrückbar war (ich weiß in meinem Falle nicht ob es Fluch oder Segen war) gab es auch nach ca. 1 Mon das erste Date. Die Abstände blieben zunächst etwa im monatlichen Rhytmus. Er war/ ist noch verheiratet und ich ebenso. Ich merkte ziemlich schnell, daß er sich ziemlich heftig verliebt hatte. Mir schmeichelte das ungemein. Ich bin mir bis heute meiner Gefühle für ihn nicht hundertprozentig sicher. Ich liebe meinen Mann immernoch, die Affäre aber auch für all das, was an ihm anders ist als bei meinem Mann. Ich hätte so gern einen Mix aus beiden!!!
>Wie und was waren die Schritte, die ihr unternommen habt, was habt ihr für innere Prozesse durchgemacht, was waren die inneren Konflikte, die ihr durchlebt habt? Gab es Gefühlsschwankungen oder seid ihr euch eurer Liebe zueinander immer sicher und bewusst gewesen?<
Bei ihm ist die "Sache" zuerst (nach nichtmal einem Vierteljahr) aufgeflogen. Ich setzte alles daran, geschickt und undercover zu agieren (zweites Handy, Passwortschutz am Rechner, eine eingeweihte Freundin als Alibi etc.). Es folgten böse, verletzte Mail-Attacken seiner Frau an mich. Ich fühlte mich schuldig und ließ sie ihren Frust ausleben, waren ja nur Mails, die konnte ich löschen. Und ich konnte seine Frau ja irgendwie auch verstehen. Es kam der Punkt, an dem ich die Affäre mit einem Brief beendete, also auch alle Mailaccounts, Chataccounts (auch das JC Profil) und gemeinsame Bilder-und Musikgalerien im Netz komplett löschte. Er kannte meine genaue Adresse nicht und ich hoffte, mit einem blauen Auge zu entkommen, denn ich fühlte mich unendlich schuldig, unseren Ehepartenern und meinen Kindern gegenüber. Irgendwie hat er doch eine weitere Mailadresse von mir herausbekommen (er ist IT-Spezialist) und sich derart formvollendet von mir verabschiedet, daß es mir das Herz zerissen hat.
>Woran habt ihr gemerkt, dass ihr mehr Zeit miteinander verbringen wollt und einander mehr bedeutet als nur eine Affäre?<
Genau in dieser Funkstille, in dieser Leere hab ich gemerkt, wie sehr er mir fehlt und was in meiner Ehe fehlt. Ich habe realisiert, daß ich das mit meinem Ehemann nie haben werde. Von der Seite meiner Affäre war das alles klar (und ehrlich gesagt hat mich das zutiefst geschockt, daß ausgerechnet ich an einen Kerl gerate, der sich für mich von seiner Frau trennt, hunderte Geliebte warten ja genau darauf). So heroisch das vielleicht klingen mag, er hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß er sich total verliebt hat und alle daraus folgenden Konsequenzen tragen will. Das war es, was mich umgehauen hat, dieses totale Bekenntnis zu mir.
>Was war der ausschlaggebende Grund dafür, das ihr die Entscheidung für den neuen Partner getroffen habt? Wie habt ihr das eurem Partner/In mitgeteilt?<
Die Affäre ging für mich also ein halbes Jahr heimlich weiter, für ihn war ja jetzt die Katze aus dem Sack. Es wurde zunehmend schwieriger für mich, da trotz aller Vorsicht mein Mann mißtrauisch wurde. Es waren nicht irgendwelche Mails oder Handynachrichten, die er fand. Es war schlicht und einfach so, daß ich mich meinem Mann gegenüber veränderte. Das geht automatisch, ich konnte dagegen gar nichts tun. Ich konnte mit meinem Mann nicht mehr in die Kiste, es hat mich angewidert. Später hab ich gelesen, daß das eine ganz natürliche, unbewußte Reaktion ist. Und als das Mißtrauen zu groß wurde, fing er an zu suchen und zu wühlen. Als ich mit den Kindern unterwegs war, fand er in meiner Handtasche (die wirklich gut versteckten!) Kondome und der Knall war da! Die darauffolgenden Wochen waren eine Qual, zusammen unter dem selben Dach. Ich habe mit meiner Affäre (ist er ja nun nicht mehr) zusammen eine Wohnung bezogen. Meine Kinder (seine sind schon erwachsen) sind nach dem Wechselmodell mal bei uns, mal bei meinem Mann. Wir werden beide unseren Ehepartnern Haus und Grundstück überlassen und wollen zusammen nach einer "Ruhepause" was neues schaffen. Das hat alles einen schalen Beigeschmack, denn nachdem ich nun etwas Abstand von meinem Mann habe und er zwischenzeitlich auch wieder auf der Suche ist, merke ich, daß ich ihn immernoch liebe. Diese Vertrautheit nach diesen vielen Jahren vermisse. Aber wegen der guten Zeiten trennt man sich auch nicht, sagt zumindest meine Familie, die mich momentan wirklich "pampern" muss, zumindest emotional. Ich könnte derzeit keine Scheidungspapiere unterschreiben, fühle mich elendig bei diesem Gedanken.
>War es der Wunsch und das Bedürfnis nach mehr Liebe, mehr SEX, mehr Nähe, mehr Intimität? Oder nach einer besseren Gesprächskultur, mehr Freude, mehr Glück und mehr Erfüllung?<
Tja, in meinem Falle ganz klar: AUFMERKSAMKEIT und die Bestätigung ein liebensweter Mensch und eine begehrenswerte Frau zu sein. Ob das allerdings für die Zukunft reicht und ob ich nicht vielleicht doch meine Ehe noch retten sollte (trotz des fortgeschritten Stadiums), daran knabbere ich immernoch.
Ich hoffe, ich habe dich nicht zugetextet. Deine Fragen gaben mir das Gefühl, daß da jemand ähnliche Gedanken und Zweifel mit sich herumträgt. Freue mich, wenn Du dich entscheiden solltest mir zu antworten. Ich wünsche Dir ein traumhaftes, sonniges Wochenende, lass es Dir gut gehen,
herzliche Grüße, XXXXXX